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Bundesgerichtshof: Empfehlungs-E-Mails stellen abmahnfähigen SPAM dar („Tell a friend“)

 
Mit Urteil vom 12. September 2013 (I ZR 208/12) hatte sich der BGH mit der Zulässigkeit sog. Empfehlungs-E-Mails zu befassen und entschied, dass wenn ein Unternehmen auf seiner Website die Möglichkeit für Nutzer schafft, Dritten unverlangt eine Empfehlungs-E-Mail zu schicken, die auf den Internetauftritt des Unternehmens hinweist, dies nicht anders zu beurteilen sei als eine unverlangt versandte Werbe-E-Mail des Unternehmens selbst.

21.11.2013

Tell-a-Friend

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte, ein auf dem Gebiet der Außenwerbung tätiges Unternehmen, bot auf seiner Internetseite eine Weiterempfehlungsfunktion an. Gab ein Nutzer seine eigene E-Mail-Adresse und eine weitere E-Mail-Adresse ein, wurde von der Internetseite der Beklagten an die weitere benannte E-Mail-Adresse eine automatisch generierte Nachricht versandt, die auf den Internetauftritt der Beklagten hinwies. Beim Mail-Empfänger ging der Hinweis auf die Internetseite der Beklagten als von dieser versandt ein. Weiteren Inhalt hatte die Empfehlungsnachricht nicht.

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, erhielt ohne seine Zustimmung mehrere Empfehlungs-E-Mails. Nach einer Abmahnung und einer weiteren Beschwerde erklärte sich die Beklagte bereit, die konkrete E-Mail-Adresse des Rechtsanwalts für den Erhalt der Empfehlungs-E-Mails zu sperren. In der Folgezeit erhielt der Kläger dennoch E-Mails, die auf den Internetauftritt der Beklagten hinwiesen. Zudem erhielt er acht weitere E-Mails von der Beklagten, die als "Test-E-Mails" bezeichnet waren.

Der Kläger wandte sich gegen die Zusendung von E-Mails ohne sein Einverständnis.

Entscheidend für die BGH-Entscheidung waren im Einzelnen folgende Erwägungen:

  • Für die Annahme bzw. Nichtannahme einer werblichen Maßnahme sei es ohne Belang, dass das Versenden der Empfehlungs-E-Mails letztlich auf dem Willen eines Dritten beruht. Entscheidend sei vielmehr allein das Ziel, das mit dem Vorhalten der Empfehlungsfunktion erreicht werden soll. Da eine solche Funktion erfahrungsgemäß den Zweck habe, Dritte auf die Beklagte und die von ihr angebotenen Leistungen aufmerksam zu machen, enthielten die auf diese Weise versandten Empfehlungs-E-Mails Werbung.
  • Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stelle - von dem vorliegend nicht relevanten § 7 Abs. 3 UWG abgesehen - jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers eine unzumutbare Belästigung dar. Eine andere Beurteilung ergebe sich im Streitfall auch nicht aus dem Umstand, dass die Werbung nur an Personen versandt wird, die ein Dritter durch Eingabe von deren E-Mail-Adresse ausgewählt hat. Entscheidend sei, dass der Empfänger in diese Art Werbung nicht eingewilligt hat und sich praktisch nicht zur Wehr setzen könne.
  • Die Beklagte hafte für die Zusendung der Empfehlungs-E-Mails als Täterin. Auch insofern sei es ohne Bedeutung, dass der Versand der Mails letztlich auf die Eingabe der E-Mail-Adresse durch einen Dritten zurückgehe. Maßgeblich sei, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails auf die gerade zu diesem Zweck zur Verfügung gestellte Weiterempfehlungsfunktion der Beklagten zurückgehe und die Beklagte beim Empfänger einer Empfehlungs-E-Mail als Absenderin erscheine. Der Sinn und Zweck der Weiterleitungsfunktion der Beklagten bestehe auch gerade darin, dass Dritten (unter Mitwirkung unbekannter weiterer Personen) ein Hinweis auf den Internetauftritt der Beklagten übermittelt werde.

Die Entscheidung wird nicht zu Unrecht kritisch gesehen. So wird eingewandt, dass die Ausuferungsgefahr, wegen der Werbung per E-Mail ursprünglich verboten wurde, bei „Tell a friend“ nicht in gleicher Weise bestehe.  Es sei eben nicht so, dass das werbende Unternehmen mit einem Klick massenhaft Werbung per E-Mail an unzählige Adressaten verschicken könne. Vielmehr setze der Versand jeder einzelnen E-Mail stets einen individuellen Entschluss eines Nutzers voraus (so Dr. Martin Schirmbacher in seinem Online-Beitrag  „BGH schränkt Tell-a-friend stark ein“. Dies trifft zu, allerdings kann die Ausuferungsgefahr dann wieder erhöht sein, wenn der Nutzer eines Empfehlungssystems für den Versand der Empfehlungen Anreize, z.B. in Form von Rabatten, erhält.

Gleichwohl ist die Entscheidung des BGH im Raum und zu beachten. Entscheidend ist deshalb, inwiefern diese selbst möglicherweise noch Spielraum für den rechtskonformen Einsatz von E-Mail-Weiterempfehlungsfunktionen gibt. Bedeutung könnte hierbei erlangen, dass der BGH im Rahmen der Begründung der Unzulässigkeit der betrachteten Weiterempfehlungsfunktion u.a. für maßgeblich hielt, dass „die Beklagte beim Empfänger einer Empfehlungs-E-Mail als Absenderin erscheint“. Es stellt sich insofern die Frage, ob die BGH-Entscheidung gleichermaßen für Konstellationen gilt, in denen in der Empfehlungsmail der Nutzer, der die Nachricht ausgelöst hat, als Absender angezeigt wird.

Festzuhalten bleibt, dass Unternehmen, die jetzt noch Empfehlungsfunktionen einsetzen,  vor Abmahnungen nicht gefeit sind. Auf jeden Fall sollte deshalb eine entsprechende Risikoabwägung durchgeführt werden. 

(Foto: Fotolia/pixbox77)