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Verfassungsrichter schützen Privatsphäre von Telefon- und Internetnutzern

 

Im Einklang mit seinen Entscheidungen zur Online-Durchsuchung und zur automatisierten Erfassung von Kfz-Kennzeichen hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner einstweiligen Anordnung vom 19.03.2008 gegen die Verwendung von Telekommunikationsdaten zur Verfolgung minder schwerer Straftaten abermals den hohen Stellenwert des Datenschutzes betont.

 

Mit seiner Entscheidung trägt das Gericht dem von der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD) und der Stiftervereinigung der Presse e.V. herausgegebenen Rechtsgutachten zur Vorratsdatenspeicherung insoweit Rechnung, als es den Vollzug überobligatorischer, d.h. vom EU-Recht nicht vorgegebener Überwachungsregelungen ausgesetzt hat. Die GDD hält die Möglichkeit zur unbefangenen Nutzung der Telekommunikation bzw. des Internet in einem demokratischen Rechtsstaat für unerlässlich. Insofern teilt sie in dem Gutachten die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass die umfassende und anlasslose Bevorratung sensibler Daten über praktisch jedermann für im Einzelnen noch nicht absehbare Zwecke einen erheblichen Einschüchterungseffekt bewirken kann.

 

Vorerst dürfen die Vorratsdaten vom Diensteanbieter nur in solchen Fällen übermittelt und nachfolgend von staatlichen Stellen genutzt werden, in denen Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. Ausgeschlossen ist damit zunächst ein Verkehrsdatenabruf bei Verdacht auf sonstige „Straftaten von im Einzelfall erheblicher Bedeutung“ oder auf Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen werden.

 

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die den Providern auferlegte Speicherpflicht an sich angesichts der – noch in Kraft befindlichen – EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht ausgesetzt hat, so begrüßt die GDD doch mit Blick auf das noch anstehende Hauptsacheverfahren die Aussage des Gerichts, dass bereits die Speicherung auf Vorrat einen Nachteil für die Freiheit und Privatheit des Einzelnen birgt, der sich durch einen nachfolgenden Abruf der Daten verdichtet und konkretisiert.

 

Nach Auffassung der GDD verstößt bereits die anlasslose und massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten unbescholtener Bürger sowohl gegen die Europäische Menschenrechtskonvention als auch gegen deutsches Verfassungsrecht, was zeitnah vom Europäischen Gerichtshof bzw. vom Bundesverfassungsgericht abschließend festgestellt werden sollte. Im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht weist die GDD nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die der Vorratsdatenspeicherung zu Grunde liegende EU-Richtlinie vor dem Hintergrund der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität erlassen worden ist. Minder schwere Straftaten seien hiervon abzugrenzen.