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Datenschutz-Kontrolle in Deutschland beeinflussbar?

 
Mit der Frage, ob die in Deutschland für den Datenschutz im privaten Bereich zuständigen Aufsichtsbehörden mit der europarechtlich vorgegebenen „völligen Unabhängigkeit“ ausgestattet sind, wird sich wohl demnächst der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu befassen haben. Die Europäische Kommission hat jedenfalls im Juli 2005 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet und dabei die Auffassung vertreten, die derzeitige Organisation der Datenschutzaufsicht im nicht öffentlichen Bereich sei nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, da die bestehenden unterschiedlichen Organisationsformen der Kontrollstellen in den Bundesländern mit verschiedenen Formen von Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht nicht den Anforderungen der EG-Datenschutzrichtlinie entsprächen.

Damit lebt ein seit Jahren bestehender Streit über die nach der EG-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahre 1995 zu gewährleistende Unabhängigkeit der Kontrollstellen wieder auf. Während die einen keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehen und sich dabei auf die Entstehungsgeschichte der EG-Datenschutzrichtlinie sowie auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Kontrolle eingriffsbefugter Stellen berufen, meint die Gegenauffassung, dass es zur Gewährleistung der notwendigen Unabhängigkeit der Kontrollstellen einer Modifikation des deutschen Datenschutzrechts bedürfe, wobei überwiegend eine Eingliederung der Aufsicht über den nicht öffentlichen Bereich in die Zuständigkeit der Datenschutzbeauftragten der Bundesländer vorgeschlagen wird.

Der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens war die Beschwerde eines deutschen Staatsbürgers vorausgegangen, wonach die Kontrollstellen für die Privatwirtschaft insoweit nicht unabhängig sein sollen, als die Regierungen der Länder auf Grund ihrer Aufsichtsbefugnisse die Oberhand behielten und die in der Verwaltungshierarchie niedriger angesiedelten Aufsichtsbehörden insoweit nicht weisungsfrei seien. Interessenkonflikte bestünden, da die Regierungen – insbesondere mit Blick auf die innere Sicherheit – an möglichst umfangreichen Datenspeicherungen interessiert seien und entsprechenden Einfluss auf die Aufsichtsbehörden nehmen könnten. Daneben, so der Beschwerdeführer, sei zu beobachten, dass die den Innenministerien bzw. den Regierungspräsidien zugeordneten Aufsichtsbehörden auf Eingaben von Bürgern „eher lethargisch“ reagierten, während sich die Datenschutzbeauftragten der Länder in der Regel sehr engagiert für Bürgerrechte einsetzten.

In diesem Zusammenhang weist die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD) darauf hin, dass eine pauschale Aburteilung der Aufsichtsbehörden für die Privatwirtschaft ihrer Auffassung nach nicht gerechtfertigt ist. Hierzu erklärt der Vorstandsvorsitzende der GDD, Peter Gola: „Ungeachtet der Frage, ob eine Zusammenfassung der Datenschutzaufsicht bei den Landesdatenschutzbeauftragten aus Gründen der Unabhängigkeit oder unter dem Gesichtspunkt der Bündelung der Kräfte ggf. eine sinnvolle organisatorische Lösung ist, lässt sich aus Sicht des betrieblichen Datenschutzes eine Lethargie bei den in Rede stehenden Aufsichtsbehörden nicht bestätigen.“ Vielmehr, so Gola, leisteten diese durch die Beratung der Unternehmen – auch in den von der GDD bundesweit organisierten Erfahrungsaustauschkreisen – einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben in der Praxis.

Die Bundesregierung hat nunmehr zunächst die Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Mit der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens hat die Europäische Kommission aber bereits jetzt und zum wiederholten Mal ihre Absicht zur – nötigenfalls rigorosen – Durchsetzung einer richtlinienkonformen Rechtsanwendung im Datenschutz bekräftigt.