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Nachdem die Amtszeit des bisherigen Bundesbeauftragten für den
Datenschutz (BfD), Dr. Joachim Jacob, abgelaufen und seine Wiederwahl
nicht mehr möglich ist, steht die Neuwahl zum BfD durch den Deutschen
Bundestag an. Vor diesem Hintergrund hat die GDD den innenpolitischen
Sprechern der Bundestagsfraktionen ihre Erwartungen an den zukünftigen
BfD schriftlich mitgeteilt. Das Schreiben wird nachstehend auszugsweise
wiedergegeben.
Vorbemerkung
Dem Schutz des verfassungsrechtlich anerkannten Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung kommt in der sich fortentwickelnden
Informationsgesellschaft angesichts der ubiquitären Datenverarbeitung
ein wichtiger Stellenwert zu. Eine weltweite Vernetzung, die Nutzung
moderner Technologien und vielfältige Datenverarbeitungsinteressen von
Staat und Privatwirtschaft machen die Gewährleistung eines angemessenen
Datenschutzes unterlässlich. Auch zur Verbesserung der Akzeptanz von
Internet, E-Commerce und E-Government ist der Datenschutz notwendige
Voraussetzung.
Dem BfD kommt im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben hinsichtlich der
Gewährleistung eines modernen Datenschutzes eine zentrale
Sensibilisierungs- und Wächterfunktion zu. Seine Initiativen tragen
maßgeblich zum Datenschutzbewusstsein in Deutschland bei. Aber auch
international ist seine Sachkunde gefragt, zumal er den
stimmberechtigten Sitz in der Datenschutzgruppe nach Artikel 29 der
EG-Datenschutzrichtlinie (Beratungsgremium der EU-Kommission) inne hat.
Aus Sicht der GDD sollte der neue BfD bei seiner Tätigkeit folgende
Leitlinien berücksichtigen:
Sachgerechte Modernisierung des Datenschutzrechts
Die Bundesregierung hat in der Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober
2002 die Modernisierung des Datenschutzrechts auf Grundlage des vom
Bundesinnenministerium in Auftrag gegebenen Expertengutachtens der
Professoren Roßnagel, Pfitzmann, Garstka angekündigt. Im Rahmen dieser
Modernisierung gilt es, sich an der EG-Datenschutzrichtlinie (95/46EG)
zu orientieren.
Ziel der Richtlinie ist neben der Gewährleistung eines angemessenen
Datenschutzniveaus in der Gemeinschaft eine Harmonisierung des
Datenschutzrechts zwecks Gewährleistung eines möglichst freien
Datenverkehrs im Binnenmarkt. In ihrem im Mai 2003 veröffentlichten
Ersten Bericht über die Durchführung der Datenschutzrichtlinie hat die
Kommission bestehende Harmonisierungsdefizite bemängelt. Vor diesem
Hintergrund wird es auch für den deutschen Gesetzgeber darum gehen
müssen, der Pluralität nationaler Rechtsgestaltung entgegen zu wirken.
Um dem Datenschutzrecht zu mehr Akzeptanz, größerer Übersichtlichkeit,
besserer Verständlichkeit und Praktikabilität zu verhelfen, gilt es den
Wildwuchs im bereichsspezifischen Datenschutzrecht zurück zu schneiden
und das Bundesdatenschutzgesetz gewissermaßen zum „Grundgesetz“ des
Datenschutzrechts zu machen.
Selbstkontrolle und Selbstregulierung
Nach Auffassung der GDD dienen die Prinzipien der Selbstkontrolle und
Selbstregulierung der Gewährleistung eines effektiven, möglichst
unbürokratischen Datenschutzes. Sie sind daher weiterhin
förderungswürdig. Das Selbstkontrollprinzip spiegelt sich in erster
Linie in der Tätigkeit der betrieblichen Datenschutzbeauftragten wider,
deren Position zu stärken ist.
Aufgabe des neuen BfD wird es zudem sein, für die Bestellung
betrieblicher Datenschutzbeauftragter im internationalen Umfeld zu
werben, zumal es die Europäische Kommission in dem vorgenannten
Datenschutzbericht bedauert, dass das in Artikel 18 Abs. 2 der
EG-Datenschutzrichtlinie aufgenommene - ursprünglich deutsche - Modell
der betrieblichen Selbstkontrolle nicht verstärkt Gebrauch gemacht
wird.
Angesichts der Tatsache, dass die Querschnittsmaterie Datenschutz
durch den Staat alleine nicht bewältigt werden kann und um größeren
Vollzugsdefiziten entgegen zu wirken, bedarf es einer sinnvoll
ausgestalteten Selbstregulierung der Wirtschaft.
Hinsichtlich der notwendigen Akzeptanz der Selbstregulierung wird
einiges davon abhängen, ob sich dieselbe als bloßes „Add on“ zu den
gesetzlichen Vorgaben darstellt, oder ob der Wirtschaft ein echter
Anreiz für selbstregulative Maßnahmen geboten wird. Die
Datenschutzgesetzgebung muss der Selbstregulierung genügend
Gestaltungsspielraum bieten.
Datenschutzaudit-Gesetz
Das in § 9a BDSG angelegte Datenschutzaudit bedarf eines
Ausführungsgesetzes. Nach Auffassung der GDD sind Anbieter von
Datenverarbeitungssystemen und -programmen sowie dienstleistende Daten
verarbeitende Stellen bei denen die Verarbeitung personenbezogener
Daten zum Kerngeschäft gehört (z.B. Anbieter von
Multimedia-Dienstleistungen, Service-Rechenzentren), die richtigen
Normadressaten für ein freiwilliges Datenschutzaudit. Eine gesetzliche
Regelung zum Datenschutzaudit sollte demnach auf solche Bereiche
beschränkt bleiben, in denen es tatsächlich wettbewerbsmäßig verwendet
werden kann und wo die Kosten der Auditierung in der Kostenkalkulation
eines Produktes oder einer Dienstleistung aufgefangen werden können.
Ein Datenschutzaudit kann im Übrigen nur insoweit sinnvoll sein, als
das bewährte Prinzip der innerbetrieblichen Selbstkontrolle hierdurch
nicht beeinträchtigt wird.
Weitere Gesetzgebungsvorhaben
Bei datenschutzrelevanten Gesetzgebungsvorhaben, insbesondere bei der
Schaffung eines Gentestgesetzes wird es Aufgabe des künftigen
Bundesbeauftragten sein, darauf hinzuwirken, dass das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen gewahrt bleibt.
Gleiches gilt im Hinblick auf die Anwendung biometrischer Verfahren.
Ferner ist es für das Image des Datenschutzes nicht unbedeutend
inwieweit der Staat dem Interesse an der Bekämpfung von Geldwäsche und
Terrorismus den Vorrang vor dem Persönlichkeitsrechtsschutz der Bürger
einräumt. Mit Blick auf den Umgang mit personenbezogenen Daten durch
nicht öffentliche Stellen ist der Staat mehr denn je dazu aufgerufen -
auch im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung -
die Kultur des Maßes zu wahren. Hier kommt dem Bundesbeauftragten eine
wichtige Wächterfunktion zu. In diesem Zusammenhang wird er auch ein
besonderes Augenmerk darauf zu richten haben, dass private Unternehmen
nicht in einer unangemessenen Weise als Informationsquelle des Staates
in Anspruch genommen werden.
Schlussbemerkung
Neben den vorgenannten Aspekten wird es wesentlich darauf ankommen,
dass es dem künftigen Bundesbeauftragten neben der Gewährleistung einer
effektiven Datenschutzkontrolle gelingt, die Politik, die
verantwortlichen Stellen und die betroffenen Bürger für die Belange des
Datenschutzes zu sensibilisieren.
Angesichts der von der Europäischen Kommission kritisierten
Harmonisierungsdefizite wird er auf eine richtlinienkonforme maßvolle
Rechtsgestaltung hinzuwirken und den Dialog auch mit der
Datenschutzaufsicht in anderen Mitgliedstaaten zu pflegen haben.
Durch Gespräche mit Herstellern sollte er auf Produktion
datenschutzfreundlicher Technologien hinwirken.