Kritik üben die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates besonders an der geplanten Möglichkeit einer heimlichen Online-Durchsuchung von PCs durch den Einsatz entsprechender Spyware. Die Datenschutz- und IT-Sicherheitsexperten bezweifeln bereits die Wirksamkeit der Online-Überwachung. Nach der aktuellen Überwachungsdiskussion sei es intelligenten Tätern ohne weiteres möglich, sich mit einigen wenigen technischen Maßnahmen gegen einen Online-Angriff zu wehren. Einfallstore über sogenannte „Bundestrojaner“ beinhalteten überdies ein unübersehbares Risiko für die Unternehmen. Es bestehe die absehbare Gefahr, dass die von den Sicherheitsbehörden erzwungenen Lücken im Sicherheitssystem von Wirtschaftskriminellen ausgenutzt würden. Auch wegen der mangelnden Wirksamkeit der Online-Überwachung zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten sei eine hierfür notwendige Änderung des Grundgesetzes unverhältnismäßig. Der staatliche Eingriff betreffe angesichts der Sensitivität von Daten und Informationen auf dem PC der Bürger den Kernbereich privater Lebensgestaltung. Hier gelte es, den hohen Stellenwert des Persönlichkeitsrechts unbedingt zu wahren.
Auch das geplante automatisierte Abrufverfahren bei digitalen Gesichtsbildern und Fingerabdrücken aus Passdokumenten durch die Polizeibehörden wird vom Wissenschaftlichen Beirat der GDD sehr kritisch beurteilt. Die biometrischen Daten im Reisepass seien ungenügend gesichert, so dass sie von Dritten unbemerkt ausgelesen und verwendet werden könnten. Im Übrigen sei grundsätzlich zu beanstanden, dass mit dem automatisierten Abruf von digitalen Gesichtsbildern und Fingerabdrücken die Bevölkerung abermals unter Generalverdacht gestellt würde. Gleiches plane man bereits mit der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten. Es sei schlichtweg nicht hinnehmbar, dass einhundert Prozent der Bevölkerung bei der Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechnik (Telefon, E-Mail und Internet) überwacht werden sollen. Auch hier sei der Nutzen für die Strafverfolgung und Terrorismusbekämpfung höchst zweifelhaft, da sich professionelle Kriminelle mit einfachen Mitteln der beabsichtigten Überwachung entziehen könnten. Im Übrigen sehe der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen und zur Umsetzung der - ggf. europarechtswidrigen - EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung eine überobligatorische Umsetzung vor, die das Bundesverfassungsgericht korrigieren könne. Vor diesem Hintergrund fordert der Wissenschaftliche Beirat der GDD eine gesamtgesellschaftliche Debatte im Lichte der besonderen Bedeutung der Freiheitsrechte. Zur Gewährleistung einer demokratisch verantwortbaren Informationsgesellschaft dürften diese Rechte keinesfalls vorschnell preisgegeben werden.
* Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates der GDD sind: Prof. Dr. Alfred Büllesbach (Vorsitzender; Universität Bremen), Prof. Dr. Claudia Eckert (Fraunhofer-Gesellschaft, Darmstadt), Dr. Udo Helmbrecht (Präsident des BSI), Chirstopher Kuner (Partner der Sozietät Hunton & Williams, Brüssel), Prof. Dr. Jan von Knop (Universität Düsseldorf), Prof. Dr. Norbert Pohlmann (FH Gelsenkirchen), Peter Schaar (amtierender BfDI), Prof. Dr. Jürgen Taeger (Universität Oldenburg)