Die Lust am Gruseln – Halbwahrheiten und Missverständnisse

Die Lust am Gruseln – Halbwahrheiten und Missverständnisse bei der Datenschutz-Grundverordnung

Seit Mai 2018 gilt die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)

Die Berichterstattung in den Medien und das Rauschen in sozialen Netzwerken schüren unaufhörlich Panik vor den horrenden Geldbußen, den drakonischen Befugnissen der Aufsichtsbehörden, der perfiden Abmahnindustrie und den ausufernden Rechten der betroffenen Personen.

Da werden Schulzeugnisse plötzlich wieder von Hand geschrieben, Erinnerungsphotos geschwärzt und Kunstaktionen gestoppt. Selbst die EU-Kommission hat bereits die flächendeckende Verbreitung von Fehlinformationen in bezug auf das neue europäische Datenschutzrecht kritisiert.

Die neueste Gruselmeldung betrifft die recht unverdächtig erscheinenden Klingelschilder am Eingang von Mietshäusern. Ein Mieter in Wien hatte sich darüber beschwert, dass ein Schild mit seinem Namen an der Gegensprechanlage angebracht war. Die Datenschutzbehörde in Österreich prüfte den Sachverhalt und kam zum Ergebnis, dass die Namen entfernt werden müssten. Prompt schwappt die Debatte auch nach Deutschland. Doch die Sorge ist unbegründet: Die DS-GVO gilt ausweislich ihres Artikels 2 Absatz 1 überhaupt nicht für Klingeltafeln. Mindestens aber ist die Anbringung im Rahmen berechtigter Interessenwahrnehmung gestattet. Die Aufsichtsbehörde ist im konkreten Fall schlicht über‘s Ziel hinausgeschossen.

Diese Ansicht vertritt nunmehr auch der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht Thomas Kranig:

"Ich finde es sehr problematisch und auch sehr schade, dass durch diese unsinnigen Behauptungen die sehr gute Datenschutz-Grundverordnung als Begründung für etwas herangezogen wird, was sie gar nicht fordert und sie damit als "weltfremdes europäisches Recht" diskreditiert wird."

Die Lust am Gruseln – Halbwahrheiten und Missverständnisse bei der Datenschutz-Grundverordnung

Selbstverständlich dürfen Vermieter weiterhin die Namen der Mietparteien am Eingang anbringen. Genauso ist der namentliche Aufruf von Patienten im Wartezimmer gestattet, und wenn das Friseurstudio einen Termin reserviert, muss hierfür nicht extra Einwilligung eingeholt werden. Es gibt vielfältige interessante Fragestellungen im Datenschutzrecht, doch sollte die Energie auf die Lösung komplexer rechtlicher Probleme verwendet werden.

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Datenschutzbeauftragten oder die GDD-Geschäftsstelle. Die GDD tritt als gemeinnütziger Verein für einen sinnvollen, vertretbaren und technisch realisierbaren Datenschutz ein. Sie hat zum Ziel, die Daten verarbeitenden Stellen - insbesondere auch die Datenschutzbeauftragten - bei der Lösung und Umsetzung der vielfältigen mit Datenschutz und Datensicherheit verbundenen rechtlichen, technischen und organisatorischen Anforderungen zu unterstützen.

Update, 13.11.2018: Entgegen anderslautender Presseberichte hat nicht die österreichische Datenschutzaufsichtsbehörde gehandelt, sondern eine Behörde der Stadt Wien.